Disrupt Yourself: Wege, sich von der Digitalisierung nicht stressen zu lassen

Dorothee Abrell hat das Buch „Disrupt Yourself“ von Christoph Keese gelesen und darin interessante Ansätze gefunden, sich die Digitalisierung zu eigen zu machen statt sie als Stress zu erleben. Theresa Pfleghar hat sie dazu befragt.

Wenn Sie das Interview lieber als Podcast hören wollen, können Sie das hier:


„Disrupt yourself“ – bevor es ein anderer tut

Theresa:
„Disrupt Yourself“ – wie kann man denn den Buchtitel auf Deutsch verstehen?
Doro:
Disrupt direkt übersetzt heißt ja zerstören. Jetzt ist ja: „Zerstör dich selbst“ keine besonders verheißungsvolle Aufforderung an die Leser… Aber genauso meint es der Autor des Buches. Die Digitalisierung bringe mit sich, dass viele Tätigkeits- und Berufsbilder zerstört werden. Als Beispiel beschreibt Keese seinen eigenen Weg als Journalist. Er war irgendwann damit konfrontiert, dass sein Berufsbild, wie er es bisher kannte nicht mehr existierte. Aus dieser Erfahrung heraus, hat er dieses Buch geschrieben.

Mit der Aussage: „Zerstör dich selbst“ (bevor es ein anderer tut) will er die Leser herausfordern, nicht einfach nur abzuwarten und die digitalisierungsgetriebenen Entwicklungen einfach so hinzunehmen, sondern die Veränderung aktiv zu gestalten. Es geht also darum, raus aus der Opferhaltung zu kommen, hinein in die Selbstverantwortung zu gehen – neue Wege zu finden, bevor man dazu gezwungen wird. Oder als Bild gesprochen: Wie kann ich auf der Welle surfen, anstatt sie über mir zusammenschlagen zu sehen.


Methoden, die Digitalisierung für sich zu nutzen

Theresa:
Und wie surft man auf der Welle? Also was kann man tun, um selbst nicht zum Betroffenen, sondern zum Erneuerer zu werden?
Doro:
Im Buch wird der Fokus auf Methoden gelegt, mit denen man sich selbst hinterfragen und damit sich selbst oder sein Arbeitsfeld „neu zu erfinden“. Ein Beispiel: Überlege dir doch mal, wenn das, was du heute arbeitest, keinen Wert hätte, wenn also dein Wertbeitrag gleich null wäre, was würdest du dann tun? Wenn ich als Beraterin überhaupt kein Geld mehr damit verdienen könnte, zu einem Kunden zu fahren und einen Workshop zu machen, wie würde ich dann noch Geld verdienen?

Theresa:
Und wie würdest du?
Doro:
Vielleicht würde ich die Workshopteilnehmer online coachen, damit sie selbst moderieren können.

Eine andere Methode aus dem Buch, wie man zum Erneuerer werden kann ist, sich zu fragen: Was nervt mich in meinem Alltag? Im Buch werden zum Beispiel Menschen beschrieben, die genervt davon waren, an Supermarktkassen anzustehen. Daraus ist das Konzept AmazonGo entstanden, das Kassen abgeschafft hat und das Bezahlen komplett digitalisiert hat. Überleg mal: Was nervt dich?
Also ich habe mich ja immer drüber geärgert, beim Autofahren nichts lesen zu können, jetzt mal ein Blogartikel zum Hören zu machen, war ein Ergebnis daraus.



Berufsfelder, die die Digitalisierung überstehen

Theresa:
Du hast gesagt der Autor spricht davon, dass bestimmte Berufe aussterben werden. Da gibt es doch bestimmt Unterschiede, dass manche eher aussterben als andere, oder?
Doro:
Ja genau, das wurde in Studien auch belegt. Berufsfelder, die laut der Studien am sichersten überleben sind Berufsfelder, die auf Empathie und auf sozialer Interaktion beruhen. Komplexe soziale Prozesse können (bisher) eben ausschließlich von Menschen begleitet werden. Trotzdem beobachte ich, dass es selbst in diesen Berufen digitalisierungsbedingte Veränderungen gibt und auch umfassend weiterhin geben wird, wie beispielsweise die immer stärkere Verschränkung von digitalen und analogen Formen der Leistungserbringung.


Digitalisierung erfordert, aus gewohnten Mustern auszubrechen

Theresa:
Und was ist jetzt dein persönlicher Tipp, um auf den ICE der Digitalisierung aufzuspringen und die Digitalisierung für sich selbst zu nutzen?
Doro:
Mhm, ICE der Digitalisierung… Dieses Bild, das du da benutzt, ist genau der Punkt. Du, ich, wir sind gewohnt in unserem vorhandenen Rahmen zu denken. Und Schnellzüge nutzen wir gerne als Bild, wenn wir Hochgeschwindigkeit ausdrücken wollen. Wer sich wirklich mit digitaler Transformation auseinandersetzt, wird merken, dass es zu kurz greift im vorhandenen Bezugsrahmen zu denken – selbst das Weiterdenken ist zu kurz gedacht. Es geht darum, mutiger, neuer, radikaler quer zu denken. Hast du schon mal vom Hyperloop gehört? Mit dem Hyperloop ist es bereits jetzt technisch möglich, von München nach Berlin in 30 min zu komme. Verrückt, oder?

Aus meiner persönlichen Sicht geht es also darum, 1. neu und vielleicht sogar verrückt und quer zu denken, statt nur im Vorhandenen weiter zu denken und 2. nicht darauf zu warten, bis andere es für einen tun. Sondern du selbst bist am Zug. Also kurz gesagt: Wage es dich deines eigenen innovativen Querdenkens zu bedienen.


Das Buch regt zu eigenen Gedankenexperimenten an

Theresa:
Was ist dein Fazit zum Buch?
Doro:
Für mich war es alles in allem ein inspirierendes Buch. Ganz automatisch habe ich begonnen eigene Gedankenexperimente zu machen. Dafür lohnt es sich definitiv. Doch Keese ist eben weder Ökonom noch Digitalisierungs-Experte noch Psychologe. Daher fehlt dem Buch an vielen Stellen Fundament und Tiefe, beispielsweise leitet er die meisten seiner Thesen überhaupt nicht her und begründet sie nur anhand von ein oder zwei Individualbiographien. Und ich muss auch sagen, der Gedanke, dass Menschen innovative, neue Ideen haben und sich damit selbst, ihr Unternehmen oder ganze Branchen, zerstören und neu erfinden, diese Idee ist nicht neu, wie Christoph Keese immer wieder nahelegt, sondern vielfach schon in der Vergangenheit zu finden. Zum Beispiel hat der Wirtschaftswissenschaftler Joseph Schumpeter mit seinem Begriff „Schöpferische Zerstörung“ eigentlich genau das beschrieben, was heute Disrupt Yourself heißt.
Aber wie gesagt, das Buch regt zu eigenen Gedankenexperimenten an. Und wer Lust auf diese Art des schöpferischen Sich-Selbst-Hinterfragens hat, der hat bestimmt Spaß damit!

Theresa:
Vielen Dank für das Interview, Doro!

Dorothee Abrell

Trainerin, Beraterin und Coach.

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