Station Berlin, so nennt sich der Tagungsort, die Event Location, die der Bundesverband Deutscher Stiftungen ausgesucht hat. Es ist der erste Stiftungstag nach der Pandemie.
Station Berlin ist ein alter Bahnhof, der ehemalige Dresdner Bahnhof. Gemäuer aus rotem Backstein kombiniert mit Stahlkonstruktionen lassen große Hallen entstehen – groß genug für die erwarteten 1.000 Teilnehmenden.
Moderierter Auftakt mit einer Entertainer-Truppe. Vernetzungsrituale werden eingeübt. Der zentrale Mann am Mikrophon strahlt gute, nein, sehr gute Laune aus. Typ lässiger und hoch ambitionierter Manager, Anzug mit offenem Hemd und ohne sichtbare Haare. Guter Kommunikator. Klassischer Ansatz mit Kleingruppen von 5-7 Menschen. „Wer bin ich und was würde ich sein wenn ich nicht das bin was ich bin“ und alles in maximal 5 Minuten. Die erste Runde mit der GF-Referentin der Boschstiftung, einer Referentin der DFL-Stiftung (sprich Bundesliga-Stiftung), einer Referentin einer Stiftung, die zur Fuggerei gehört, und einem etwas skurrilen, altgewordenen Berliner Rechtsanwalt und Notar. Guter Auftakt, aber das wars dann auch schon. Es läppert aus. Wir treffen uns später nicht wieder, tauschen uns nicht über unsere Ziele für den Tag aus. Der fast persönliche Kontakt verliert sich wieder in der Anonymität. Der gutgemeinte Effekt ist verpufft.
Der große Saal ist dann groß genug für eine persönliche Video-Grußbotschaft des Bundespräsidenten. Etwas spöttisch wird vorher gemutmaßt, was er denn wohl sagen werde. „Bürgerschaftliches Engagement und weiter machen“ steht hoch im Kurs, Frank-Walter ist jedoch etwas klüger und vermeidet die üblichen Plattitüden. Er bleibt aber dann doch Frank-Walter, so dass seine Gedanken mir nicht mehr in Erinnerung sind. Aber es war nett von ihm gewürdigt zu werden.
Die Panel sind gut besetzt. Nachdenkliche und sehr gebildete Menschen sprechen als Key-Notes und diskutieren mit den jeweiligen Moderator:innen. Es macht Spaß zu zuhören. Der eigene Anspruch, doch auch ein Intellektueller zu sein, kommt zusehends ins Wanken. Da sitzen, sprechen, wägen Menschen ab, die mehr gelesen haben als ich und die sich und anderen den Luxus erlauben, nicht nur eine dezidierte Meinung zu haben. Die Ambivalenz darf aufscheinen. Der Nachbar darf auch recht haben. Angenehm. Ich spüre, wie meine eigenen Gedanken sich zu den Themen auf den Weg machen.
Die Themen: woher kommt eigentlich das Kapital, was wir für „Gutes“ einsetzen? Wie kommen die ethischen Stiftungen mit den kapitalistischen Zielen der Unternehmen zurecht, deren Namen sie tragen und die sie finanzieren? Es wird deutlich, dass die Welt der Stiftungen, insbesondere die der großen, finanzstarken Stiftungen, sich der Aufarbeitung ihrer Geschichte und Vorgeschichte erst spät und oft beschönigend gestellt haben. Die Alfred Toepfers, die Quandt Familie oder die Karg Familie sind verbunden mit Enteignung von jüdischem Eigentum oder auch mit Kolonialismus. Heute Gutes zu tun, wie auch immer das Gute definiert wird, ist eben keine Entschuldung für früheres Unrecht und die damit verbundenen Gräuel. Es ist das Wort des Ablasshandels gefallen. Der eben nicht funktioniere. Eine Veranstaltung am Freitag im Deutschen Historischen Museum macht das nochmal sehr deutlich. Die Frage nach der Herkunft des Geldes bleibt als relevant im Raum. Wir als CONTRACT-Stiftung sollten die auch stets beantworten können.
Unternehmensstiftungen und deren Suche nach dem Sinn ist angesprochen worden. Also wie kann der Stiftungszweck gelebt und gefüllt werden – auch unabhängig vom Unternehmenszweck. Die implizite Unterstellung blieb, wirtschaften ist nicht ethisch. Wenn gesetzliche Regelungen es erfordern, dann verhalten sich Unternehmen auch ethisch. Das Ganze spiele sich dann aber „nur“ im Kontext von klassischer Compliance ab. Es blieb die Überzeugung im Raum, dass die Stiftungen sich im Zweifel ethisch emanzipieren sollten von den Unternehmen, und auf jeden Fall nicht korrumpieren lassen sollten.
Die Frage nach dem ethischen Einfluss der Stiftungen auf die Unternehmen ist nicht gestellt worden. Lediglich der Geschäftsführer der Wala-Stiftung hat das angedeutet. Hintergrund war bei Wala eine im Grundsatz philantropische Unternehmensgründung. Auch die Wala-Stiftung ist wie die CONTRACT-Stiftung eine Mehrheitsgesellschafterin.
Es war den Diskursen anzumerken, dass die Stiftungsvertreter aus einem Universum kommen, dass sich anderem als den wirtschaftlichen Prozessen der Wertschöpfung verschrieben hat. In einem Beitrag war der Wechsel in eine Stiftungsfunktion mit dem Wechsel von der dunklen Seite der Macht auf die helle Seite konnotiert worden. Es hielt sich ein Schimmer von heiler Welt über der Veranstaltung. Die Protagonisten sind wirtschaftlich abgesichert und leben das Privileg sich mit den guten Dingen zu befassen. Das Bewusstsein darüber war durchaus vorhanden, aber es war kein Problem.
Was bleibt?
Zunächst ist der Stiftungstag eine gute Gelegenheit sich zwischendurch mal größeren Fragen zu stellen.
Offen ist das Themenfeld der unternehmerischen Stiftung. Das Wechselspiel zwischen ethischen Ansprüchen und aktiven Unternehmertum, die Förderung der Akzeptanz von wirtschaftlicher Tätigkeit als ethisch positiv, die Humane Economy als möglich zu propagieren, das sind offene Felder.
Mit denen können wir etwas machen.
Sollten wir machen.
JK 14. Mai 2023